Lutschen für Weil der Stadt
Saugreflex bei Kindern
Das Lutschen wird ausgelöst durch den Ernährungstrieb.
Auch ohne Nahrungsaufnahme befriedigt der Säugling seine ganz natürliche Sauglust durch Lutschen an Daumen und Saugern. Selbst wenn die Ernährung beim Kleinkind längst auf feste Formen umgestellt ist, hält das Saug- und Lutschbedürfnis oft bis zur Schulzeit an.
Ob Daumen oder Sauger – beides sind Fremdkörper im Mund, die bei dauerndem Gebrauch die Zahnreihen und die Kieferform – besonders die des Oberkiefers – deformieren.
Wie wirkt sich der Daumen oder Sauger auf die Zähne aus?
Das Gebiss hält dem Abbeiß- und Kaudruck stand, der 30-50 kg je Zahn beträgt. Diese Kräfte wirken pro Tag, aber nur wenige Minuten auf die Zähne. Der Dauerdruck des Daumens oder eines Nuckels wirkt über viele Stunden am Tage und in der Nacht. Das Ausmaß der entstehenden Deformierung des Kiefers hängt ab
- vom Zeitfaktor
- vom Lutschgegenstand
- von der Art des Lutschens
- von der Form des Kiefers
- von der Lage der Kiefer zueinander
Welche Folgen hat das Lutschen?
Nicht jede Lutschgewohnheit führt zu einer Zahnstellungsanomalie. Der Daumen oder Nuckel kann aber wie ein Stemmkörper wirken, der sich gegen die oberen Frontzähne presst und gegebenenfalls durch Aufbeißen den unteren Zahnbogen zusätzlich deformiert.
Bei gleichzeitigem Saugen wird der Oberkiefer transversal komprimiert, wodurch ein Kreuzbiss der Seitenzähne entstehen kann. Oder der zu schmal gelutschte Oberkiefer führt zu einer Frontzahnstufe mit gleichzeitiger Behinderung des Unterkiefer-Wachstums: Eine Rücklage des Unterkiefers entsteht, Flaschen- oder Beruhigungssauger liegen oftmals stundenlang Tag und Nacht zwischen den Zahnreihen. Das Luftpolster drückt die Gummiflächen gegen beide Zahnreihen, intrudiert besonders die oberen Frontzähne und biegt gleichzeitig die Kiefer zu einem „offenen Biss“ auf.
Gibt es Selbstausheilung?
Der frontal offene Biss ist die einzige Anomalie im Milchgebiss, die von selbst ausheilt, wenn die Lutschgewohnheit frühzeitig – vor dem 3. Lebensjahr – eingestellt wird. Doch darauf ist kein Verlass, denn die Zunge legt sich meist beim Sprechen und beim Schlucken zwischen die Zahnreihen und verhindert so die Selbstausheilung. Die Zahnfehlstellung wird unter diesen Umständen sogar auf das bleibende Gebiss übertragen. Ist durch die Lutschgewohnheit eine Frontzahnstufe entstanden, legt sich meist die Unterlippe zwischen die Zahnreihen, verstärkt die primäre Fehlstellung und verhindert den Selbstausgleich.
Hilfsmittel gegen Lutschgewohnheiten
Nach Einführung der Kieferorthopädie und den neueren Erkenntnissen über „erworbene“ Gebissanomalien fand man in der Literatur eine ganze Reihe von drastischen Methoden, die von Kinderärzten und Psychologen mit Recht abgelehnt wurden:
- Umwickeln der Lutschfinger
- Überziehen von Fausthandschuhen
- Zunähen der Nachthemdärmel
- Plastikrohr-Armmanschetten oder
- Festbinden der Hände
Derartige Zwangsmaßnahmen sind psychologisch falsch und können außerdem Symptomverschiebungen wie Lippen- und Zungensaugen oder Nägelkauen hervorrufen. Vertretbar ist die Applikation von „chemischen Reflexunterbrechern“ wie DAUMEXOL. Dieser Bitterstoff sollte aber nicht ohne vorbereitetes Gespräch auf den Lutschfinger des Kindes aufgebracht werden. Am besten ist es, wenn das Kind das Präparat selbst auftragen darf.
Sander (Ulm) und Mitarbeiter publizierten eine viel beachtete psychologisch gestützte Methode: das Aufmalen eines Gesichtes auf den Lutschfinger. Dieser kleine „Spielkamerad“ würde in der dunklen Mundhöhle wieder verschwinden, wenn an dem betreffenden Finger gelutscht wird.
Hilfreich im Zusammenhang mit allen anderen Methoden ist der „Lutschkalender“. Die Kinder machen selbst die Tage mit einer Sonne kenntlich, an denen sie auf das Lutschen verzichtet haben und malen eine Regenwolke, wenn gelutscht wurde. Mit einem „Beruhigungssauger“ das Daumenlutschen zu verhindern, ist bestenfalls in den ersten Lebenswochen vertretbar. Das Ziel muss aber sein, diesen im 2. Lebensjahr wieder wegzunehmen.
Ursache des Lutschens
Untersuchungen ergaben, dass es verschiedene Ausdrucksformen des Lutschens gibt, die eine unterschiedliche Betrachtung und Behandlung erfordern. So wird bei Säuglingen und Kleinkindern das Lutschen als physiologisches und natürliches Bedürfnis angesehen, das nicht als schlechte Gewohnheit oder Unart eingestuft werden darf. Schädlicher als das Lutschen an sich, sei der nonverbale Hilferuf des Kindes, der nicht wahrgenommen wird und gegebenenfalls der Beginn einer Neurose werden kann. Deshalb wird in derartigen Fällen die Zusammenarbeit mit Kinder-Psychotherapeuten für unerlässlich gehalten.
Neben hyperaktiven Verhaltensweisen sind auch Formen wie Einlagerung der Zunge zwischen den Zahnreihen, der oft im Zusammenhang mit der Mundatmung steht, zu beobachten. „Autoaggressionen“ treten besonders bei Kindern auf, denen man mit Gewalt das Lutschen abgewöhnen will.
Die Mundhöhle ist ein „Ausdrucksfeld psychosozialer Störungen“. So kann es einerseits zu exzessivem Lutschen oder zu einer symbiotischen Anklammern an die Eltern kommen, wenn Kinder die Ehekonflikte der Eltern miterleben. Werden Kinder gar gezwungen, sich für einen Elternteil zu entscheiden, sind sie hilflos überfordert.
Der weitaus größte Anteil schädlicher Gewohnheiten oder Dysfunktionen bei Kindern sind habituell (gewohnheitsmäßig) geprägt. Sie sollten mit einfachen Mitteln – vor allem ohne Zwang – abgestellt werden.
Beruhigungssauger – Pro & Contra
Eine prophylaktische oder gar positive funktionelle Bedeutung, die dem NUK- Sauger früher beigemessen wurde, ist ein Trugschluss. Jeder Fremdkörper, der stundenlang zwischen den Zahnreihen liegt und einen permanenten Druck auf die Schneidezähne ausübt, führt zu einem offenen Biss. Das gilt auch für den „Kieferformer“, einen besonders breiten, den ganzen Gaumen ausfüllenden Latexsauger. Der wesentliche Vorteil eines Saugers besteht darin, dass er zwischen dem 2.-3. Lebensjahr leicht weggenommen werden kann, während der Daumen bleibt.
Tipps zur Vorbeugung und Unterstützung
Stillen Sie, wenn eben möglich, mindestens 6 Monate. Beim Stillen wird das harmonische Zusammenspiel der Muskeln eingeübt.